VerschlüsselungThorn brachte Chatkontrolle auch für andere Themen ins Spiel

Ashton Kutchers Organisation Thorn war von Anfang an der Entstehung der Chatkontrolle-Verordnung beteiligt. Neue Dokumente zeigen, mit welchen Aussagen Thorn die EU-Kommission lobbyiert hat – unter anderem verwies die Organisation auch auf die Möglichkeiten der Chatkontrolle abseits des Kampfes gegen Kindesmissbrauchs.

Ashton Kutcher
Ashton Kutcher wirbt auf einer Veranstaltung des Europaparlaments für die Chatkontrolle. – Europaparlament / Livestream

Durch eine Recherche von „Follow The Money“ ist herausgekommen, dass Ashton Kutchers Organisation Thorn von Anfang an der EU-Kommission aufzeigte, dass die Chatkontrolle nicht nur gegen Kindesmissbrauch eingesetzt werden könne. Thorn, das mehr wie ein Startup denn eine Wohltätigkeitsorganisation wirkt, war maßgeblich an den Chatkontrolle-Plänen beteiligt und hatte einen extrem guten Draht zur EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.

Durch ein Dokument, das Follow The Money für seine Recherche über das schwedische Informationsfreiheitsgesetz erhielt, wird klar, dass Thorn bei seiner Lobbyarbeit nicht nur die Erkennung von Kindesmissbrauchsmaterial (CSAM) im Blick hatte, sondern eine breitere Nutzung ansprach. So heißt es in diesem Dokument:

Bei den Überlegungen zur Regulierung oder Gesetzgebung im Bereich der Verschlüsselung sollte man sich nicht nur auf die CSAM konzentrieren. Lösungen für die Erkennung in verschlüsselten Umgebungen sind viel umfassender als ein einzelnes Verbrechen, und jede Regulierung oder Gesetzgebung sollte den gesamten Umfang des Themas berücksichtigen, um das Problem vollständig anzugehen.

Eine Ausweitung der Nutzung von Chatkontrolle-Daten hatte auch Europol schon gefordert. Durch andere Dokumente kam im November vergangenen Jahres zudem heraus, dass der Sicherheitsapparat von Anfang an die Chatkontrolle-Gesetzgebung prägte. Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, sah das damals als Bestätigung, dass das Ziel der Chatkontrolle „mehr die Unterwanderung von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation und weniger wirklich effektiver Kinderschutz war.“

False Positives

Der ehemalige netzpolitik.org-Journalist Alexander Fanta zeigt in der Recherche zudem auf, dass die die Software von Thorn „weit davon entfernt“ sei, ein technisches Allheilmittel zu sein – und Bilder fälschlicherweise als kindermissbräuchliche Inhalte identifizieren wird. Zudem wird durch die Dokumente klar, dass Thorn der EU-Kommission angeblich Privatsphäre-schützende technische Optionen der Chatkontrolle aufzeigte, die allerdings technisch heute noch gar nicht umsetzbar sind. Die EU-Kommission hatte die nun veröffentlichten Dokumente mit dem Verweis auf Geschäftsgeheimnisse von Thorn nicht freigegeben.

Der EU-Abgeordnete der Piraten, Patrick Breyer, kritisiert das in einer Pressemitteilung:

Bis heute behindert die Kommission die Rekonstruktion der Wahrheit über diesen Skandal, indem sie Beweisdokumente zurückhält. Aus den heutigen Enthüllungen geht hervor, dass die Lobbydokumente von Thorn entgegen den Verschleierungsversuchen der Kommission mitnichten Geschäftsgeheimnisse enthalten, sondern wegen ihres für die Überwachungspläne der Kommission unbequemen Inhalts vertuscht werden sollten.

ZDF-Doku über Ashton Kutcher und die Chatkontrolle

Das ZDF hat die Entstehung der Chatkontrolle und die Rolle von Ashton Kutcher und seiner Organisation Thorn in einer halbstündigen Dokumentation aufgearbeitet.

In der Beschreibung der Doku heißt es:

Reporter Lucas Eiler und Datenjournalistin Ciara Cesaro-Tadic rekonstruieren, wie Kutcher und seine Stiftung Thorn sich in Brüssel für die Überwachungspläne einsetzen. Sie zeigen, wie Kutcher seine Prominenz nutzte, um für das Vorhaben zu werben. Dabei scheint das Engagement nicht ganz uneigennützig: „Thorn“ hat eine Software entwickelt, die zum Scannen auf Kindesmissbrauchsdarstellungen eingesetzt werden kann. Damit macht die Organisation bereits heute Millionen.

Derzeit stockt das Gesetzesvorhaben. Das Parlament hat in seiner Position sehr weitreichende Einschränkungen des Vorschlags der Kommission beschlossen, der Rat der Länder ist sich hingegen nicht einig über seine Position. Weil es mit den Plänen einer Chatkontrolle auf Anordnung vor der EU-Wahl im Juni wohl nichts mehr wird, hat die die EU-Kommission eine Verlängerung der freiwilligen Chatkontrolle auf den Weg gebracht.

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24 Ergänzungen

  1. Dies ist nun der Beweis dafür, dass der Verdacht begründet war, dass der Schutz von Kindern ein billiger Vorwand ist, um den eigentlichen Kampf gegen Verschlüsselung zu rechtfertigen.

    Die EU-Kommission hat in dieser Causa nichts ausgelassen um das Ansehen der Kommission und damit der ganzen EU schweren Schaden zuzufügen. Es ist bitter in diesen schweren Zeiten erkennen zu müssen, wie sich höchstes EU-Personal von einem windigen Geschäftsmann hat instrumentalisieren lassen, für ein paar inszenierte Pressefotos mit einem publikumswirksamen „Schauspieler“. Schlimmer noch ist, dass man die Empathie der Menschen zu Kindern missbraucht hat, um in der Folge den eigentlich beabsichtigten Kampf gegen Bürgerrechte zu verschleiern. Das zerstört Vertrauen nicht nur in die EU-Kommission, sondern in Politik allgemein.

    1. „Lösungen für die Erkennung in verschlüsselten Umgebungen sind viel umfassender als ein einzelnes Verbrechen, und jede Regulierung oder Gesetzgebung sollte den gesamten Umfang des Themas berücksichtigen, um das Problem vollständig anzugehen.“

      Fett gedruckt: „um das Problem vollständig anzugehen“

      Wenn das keine Fehlübersetzung ist, wäre das wohl mindestens ein kabarettistischer Versprecher. Ernst gemeint, ist das der Nachweis, dass es NICHT um Kinder geht. Rechtfertigt das allgemeine Ziel „irgendwie Verbrechen noch besser generieren“ jetzt einen allgemeinen Angriff auf Verschlüsselung?

      Ich sehe zwei Hauptvarianten:
      1. Kunstschuss: erst die dumme EU zu etwas bringen, um es dann in den USA umzusetzen. Lobbying für konkrete Firmen.
      2. Zersetzung. Die EU soll als Bananenrepublik aufgebaut werden, um gut „Teile und Herrsche“ spielen zu können, und um immer leicht an alle Daten ranzukommen.

  2. Thorn und Konsorten verkaufen eben nicht nur Überwachungstechnologie, sondern liefern gleich noch ein politisch leicht zu verteidigendes Framing mit dazu. Die „Non-Profit“-Aufmachung des Unternehmens ist meiner Meinung nach vor allem ein Schachzug um problemlos „Trainingsmaterial“ für die eigene KI zu erhalten. Hat noch niemand mal daran gedacht warum Thorn mit seinem „Zentrum“ oft noch vor der Polizei „informiert“ wird und die entsprechenden Bilder erhält?!? Das wird ja in der Diskussion gerne vergessen: so eine Technologie kann nur liefern, wer die entsprechenden „Daten“ hat um die Software zu erstellen. Da ist kein freier Markt.
    Eigentlich stinkt das alles zum Himmel was da abgeht. Das vorrangige Ziel war wohl nie „Kinder schützen“, sondern eher „Verschlüsselung zerstören“. Die Kinder kamen an zweiter oder dritter Stelle (weil der Profit darf auch nicht fehlen).

  3. Wenn man mal auf de.wikipedia liest könnte der Eindruck entstehen, das Kutcher ein weit erfolgreicherer Geschäftsmann ist als denn ein guter Schauspieler ist.
    Er wurde zwar 4 oder 5 mal für einen Preis für seine Schauspiel Kunst nominiert, aber das war für die „Goldene Himbeere“, als schlechtester Schauspieler(Paar).

    Das war hier klar eine Kooperation faschistischer Ordnungsbehörden und Gewinnstreben auf Kosten missbrauchter Kinder.
    Einfach nur widerlich.

    Ich erinnere immer wieder an den Innenminister Schäuble, der keine 2 Jahre nach Einführung es einen Fehler nannte, dass die Autobahn Mautdaten nicht für allemeine Fahndungszwecke zur Verfügung stehen. Schamlos.
    Denn ohne diesen starken Schutz,hätte die damalige Opposition dem Mautdatensystem niemals zu gestimmt. Und den Mörder hat die Kripo trotzdem nach kurzer Zeit gefunden. Ohne anlasslose Massenüberwachung.

    1. > Und den Mörder hat die Kripo trotzdem nach kurzer Zeit gefunden. Ohne anlasslose Massenüberwachung.

      Weil es (noch) Ermittler in der Polizei gibt, die das „alte Handwerk“ beherrschen. Der Nachwuchs sitzt lieber vor dem Computer, als in der freien Wildbahn zu arbeiten. Da gehen Kompetenzen verloren.

  4. Was sagt eigentlich Olaf dazu?
    Diese Anitkorruptions-Abteilung der EU.
    Das stinkt doch zum Himmel.

    Wie gesagt, würde diese Überwachung kommen, wäre es ein Milliarden-Geschäft. Vor allem für die gemeinnützige Thorn Stiftung, aber auch ändern Anbietern ähnlicher Produkte(die keinen Deut besser sein können. Man kann einen Kreis nicht quadrieren oder schneller als das Licht reisen.).

  5. So ist es.
    Allerdings ist bei der Richtung, die die EU mit diesen und ähnlichen Maßnahmen einschlägt immer erst mal ein (sehr großes) Misstrauen angebracht und absolut notwendig. Selbst wenn von sensiblen Themen wie Bekämpfung von Kindesmissbrauch die Rede ist.

    War ja auch in der Vergangenheit zu erkennen, als die Berichte von den Meinungsumfragen zum Thema Chatkontrolle veröffentlicht wurden.
    Bei der von YouGov, die wahrheitsgemäß alles gefragt hat, gab es 72% Ablehung.
    Bei der Umfrage von der EU-Kommission, wo von vorne bis hinten irreführende Fragen gestellt wurden und nur gelogen und betrogen wurde, dann plötzlich eine mehrheitliche Zustimmung.

    (https://www.patrick-breyer.de/manipulative-eu-meinungsumfrage-taugt-nicht-zur-rechtfertigung-der-chatkontrolle/)

    Man merkt halt (bzw sollte mitlerweile merken) dass dem Großteil der EU-Politiker jedes Mittel recht ist, damit sie und die Strafverfolgungsbehörden sich ihren irrsinnigen Traum einer Überwachungsdiktatur realisieren können. Und die Bürger ihnen völlig egal sind.
    Ich kann auch jetzt noch nicht fassen, dass so viele Leute in der Politik immer noch dafür sind -trotz allem, was ans Licht gekommen ist.

    Aber die glauben ja allen Ernstes, sie würden uns mit Chatkontrolle, Vorratsdatenspeicherung und dem Zerstören von Verschlüsselung schützen.
    In deren Augen scheinen nur sie und die Leute bei den Strafverfolgungsbehörden die „Guten“ zu sein, alle anderen sind potenzielle Terroristen oder Pädophile.
    Dass dem nicht so ist, wollen sie halt nicht wahrhaben.

    Wenn heute die Politik -gerade im digitalen Bereich – davon spricht sie hätte ein Gesetz zu unserem „Schutz“ gemacht, läuten bei mir inzwischen alle Alarmglocken und ich denke mir nur noch: „Wo ist der Haken und wie viele Haken gibt es?“.
    Und bislang war es nicht schwer immer mindestens einen (sehr großen) Haken zu finden.
    Jüngstes Beispiel: Der AI-Act und die biometrische Massenüberwachung

    1. >…, dass so viele Leute in der Politik immer noch dafür sind -trotz allem, was ans Licht gekommen ist.

      Sie wollen es tatsächlich. Und die Regierenden der meisten EU-Mitgliedstaaten wollen starke Kryptografie nur für den Staat, der Rest soll nur Verschlüsselung benutzen dürfen, die überwindbar ist. Die EU ist geradezu prädestiniert dies voranzutreiben, weil die Mitgliedstaaten es dann übernehmen müssen und die böse EU als dankbarer Sündenbock dient. Der Groll geht gegen die EU, obwohl die Regierenden der Staaten bestimmen, was die EU-Kommission wollen soll.

      > Man merkt halt (bzw sollte mitlerweile merken) dass dem Großteil der EU-Politiker jedes Mittel recht ist, …

      Das reicht nicht, weil das zu einfach ist. Nützlich wäre es, die Akteure genau zu bezeichnen, mit Namen, Parteizugehörigkeit und EU-Land. Wer es mit unliebsamen Regierenden zu tun hat, sollte bei der nächsten Wahl klüger wählen. Klüger deshalb, weil Demokratie nicht scheitern darf. Zu den Politikern, denen „jedes Mittel recht ist“, zählen allerdings vor allem auch jene, die zum rechts-extremen Lager gehören.

      Um es auf den Punkt zu bringen: Wer profitiert von Politikverdrossenheit?

      1. „Zu den Politikern, denen „jedes Mittel recht ist“, zählen allerdings vor allem auch jene, die zum rechts-extremen Lager gehören.“
        Richtig. Aber es reicht nicht, mit dem Finger ausschließlich auf die Rechten zu zeigen.

        Ja, rechte Parteien sind KEINE Lösung, völlig korrekt. Nicht zuletzt, weil die selbst ja diese Überwachungsdiktatur wollen und sie für noch schlimmere Zwecke einsetzen würden.

        Aber man darf deswegen halt nicht in dem Irrglauben sein, dass die anderen, nur weil sie permanent gegen AFD & Co schießen, bei allem für die Bürger wären.
        Dieses schwarz-weiß-Denken, das auch die Politiker uns die ganze Zeit vermitteln wollen (Rechte auf der einen (bösen) und alle anderen auf der anderen (guten) Seite), ist genau das Problem. Und -so mein Eindruck – eine wunderbare Ablenkung von sich selbst.

        „Wer es mit unliebsamen Regierenden zu tun hat, sollte bei der nächsten Wahl klüger wählen.“
        Den Großteil interessiert dieses Thema (noch) nicht. Die werden erst aufwachen, wenn es zu spät ist.
        Zudem weiß man nie, was von den gemachten Wahlversprechen wirklich gehalten wird – oder ob überhaupt was gehalten wird. Ob man wirklich klug gewählt hat, weiß man erst hinterher. Am Anfang gibt es maximal Ausschlusskriterien (Bsp: keine rechte Partei) und Tendenzen, aber keine völlige Gewissheit.

        Von welcher Partei weiß man denn wirklich, dass sie sich vollständig und immer gegen den Aufbau einer Überwachungsdiktatur ausgesprochen hat und es nicht nach der Wahl dann doch vorantreiben würde?
        Außer den Piraten fällt mir da keiner ein.

        1. > „Zu den Politikern, denen „jedes Mittel recht ist“, zählen allerdings vor allem auch jene, die zum „Zu den Politikern, denen „jedes Mittel recht ist“, zählen allerdings vor allem auch jene, die zum rechts-extremen Lager gehören.“
          Richtig. Aber es reicht nicht, mit dem Finger ausschließlich auf die Rechten zu zeigen. Lager gehören.“
          > Richtig. Aber es reicht nicht, mit dem Finger ausschließlich auf die Rechten zu zeigen.

          Wer genau hinsieht, der wird bemerkt haben, dass vom „rechts-extremen Lager“ die Rede war. Der Rezipient war wohl mit dem Denken an „mit dem Finger ausschließlich auf die Rechten zu zeigen“ überlastet.

      2. „Zu den Politikern, denen „jedes Mittel recht ist“, zählen allerdings vor allem auch jene, die zum rechts-extremen Lager gehören.“

        Nunja, und Soeder, Lindmann, Merz, Faeser, Scholz, Giffey. Also de facto CDU/CSU und SPD. Von „Ordnung“, immer unter Beruecksichtigung des eigenen Fuehrungsanspruchs und der sich daraus ergebenden Ausnahmen, traeumen alle „Konservativen“, die lediglich die eigenen systematischen Privilegien konservieren wollen.

        1. > Zu den Politikern, denen „jedes Mittel recht ist“

          gehören jene, die gegen Regeln verstoßen. Gegen allgemein anerkannte informelle Regeln, und ohne Zweifel gegen formelle Regeln, also Verstöße gegen geltendes Recht.

          Ein „Führungsanspruch“, der sich über ein Wahlergebnis hinweg setzen würde, wäre ein Regelverstoß größtmöglichen Ausmaßes. Der Führungsanspruch einer Opposition, mag formuliert werden, findet aber operative Grenzen.

  6. Danke für den hervorragenden Artikel!
    Für mich sind diese geplanten ausgeweiteten Einschränkungen der Meinungsfreiheit eine Dystopie der Zukunft, die aber offenbar bereits fest geplant sind, und wenn überhaupt, nur noch marginal entschärft werden kann.
    Das beklemmende ist, dass es auch durch die kommenden EU-Wahlen zu keiner maßgeblichen Änderung des eingeschlagenen Wegs einer Totalüberwachung à la CN oder anderen totalitären Staaten mehr kommen wird.

    Auch in AT wird daran gearbeitet. Der Zugang zur ID-Austria wurde von SMS Identifizierung auf biometrische Anmeldung oder (ganz kleingedruckt) auf FIDO ‚key‘ umgestellt.
    Die biometrische Anmeldung ist bewusst einfach gestaltet, die Anmeldung mit ‚key‘ wurde bereits in der Anleitung mit Stolpersteinen gepflastert. Nur mit Mühe ist es gelungen, diese Anmeldung zu installieren.
    Da die biometrischen Daten auch mit den Passdaten verknüpft sind, kann man davon ausgehen, dass die biometrische anlasslose Gesichtsauswertung – natürlich nur zu unserer Sicherheit – nur noch einen Trippelschritt entfernt ist.

    Man sieht also, dass die Reise zur kompletten Überwachung von uns Bürgern geht. Ein Auskommen ist praktisch nicht möglich, da ein zeitgemäßes Leben völlig ohne Datenanbindung eigentlich nicht mehr machbar ist.
    Wie heisst es so schön: Legal-Illegal-ganz egal, so handeln unsere EU.

    …die Auswirkungen sieht man bereits. Um ‚Schwierigkeiten‘ zu vermeiden, schreibt man unter einem Pseudonym und nicht mit Klarnamen!

    Schuld daran hat jede Bürgerin und jeder Bürger, der meint nichts zu verbergen zu haben und die damit einher gehende Bequemlichkeit auf Datensicherheit (und damit die Verschlüsselung) verzichten zu können.

  7. Das passt doch voll und in vielerlei Hinsicht auf die Linie der Scientologen.
    Das (auch finanzielle) Engagement des Herrn K. und seiner Firma macht Chatkontrolle noch verdächtiger, als sie ohnehin schon ist.

    1. Vor allem passt es zu sämtlichen Auslandsgeheimdiensten sowie Datenverarbeitungsanbietern. „Lasst die EU ruhig Verschlüsselung abschaffen.“ – Das wird ein Fressen.

      Würde auch nicht wundern, wo der Chat schon mal gescannt ist, dass sämtliche „Sicherheitsbedürfnisse“ der privaten OS-Anbieter noch mal für eine kurze und knappe Auswertung herhalten dürften, wo man schon mal dabei ist. Es öffnet sich natürlich immer sofort der ganze Wald des Grauens, und gerade hier in Deutschland sollten wir uns fragen, ob wir wirklich (noch) etwas von „Checks and Balances“ verstehen.

      1. > Vor allem passt es zu sämtlichen Auslandsgeheimdiensten sowie Datenverarbeitungsanbietern. „Lasst die EU ruhig Verschlüsselung abschaffen.“

        Sämtliche Dienste befürworten und fördern jegliche Methoden von Datenverarbeitungsanbietern, die ihre Arbeit erleichtern. Es werden nicht nur Verkehrsdaten ausgeleitet, sondern auch Zugriffe auf Daten durchgeführt. Darüber hinaus werden auch Daten von Diensten bei Verarbeitern gekauft, wie kürzlich in den USA bekannt wurde.

  8. Danke NP.org für den Hinweis (PDF) auf die verwendete Technologie des Startups Thorn

    Heutige Leistungseinschränkungen

    Es ist zu beachten, dass das HE-System heute selbst mit der Hochleistungsbeschleunigung durch FPGAs um Größenordnungen langsamer sind, als das unverschlüsselte Äquivalent. Daher sind weitere Arbeiten erforderlich, um diesen Leistungsunterschied für eine breitere Anwendung zu verringern.

    https://www.bittware.com/de/resources/homomorphic-encryption/

    FYI
    https://homomorphicencryption.org/introduction/

    SCOPE AND TOPICS

    Secure computation is becoming a key feature of future information systems. Distributed network applications and cloud architectures are at danger because lots of personal consumer data is aggregated in all kinds of formats and for various purposes. Industry and consumer electronics companies are facing massive threats like theft of intellectual property and industrial espionage. Public infrastructure has to be secured against sabotage and manipulation. A possible solution is encrypted computing: Data can be processed on remote, possibly insecure resources, while program code and data is encrypted all the time. This allows to outsource the computation of confidential information independently from the trustworthiness or the security level of the remote system. The technologies and techniques discussed in this workshop are a key to extend the range of applications that can be securely outsourced.

    The goal of the workshop is to bring together researchers with practitioners and industry to present, discuss and to share the latest progress in the field. We want to exchange ideas that address real-world problems with practical approaches and solutions.

  9. Wenn dass ZDF spät abends und knapp einen Monat nach dem eigentlich anberaumten Abstimmungstermin eine Alibi Reportage sendet, dann entlastet es sie nicht davon, dass sie es regelmäßig verpassen oder unterlassen diese Art der grundrechtsgefährdenden Gesetzgebungsvorhaben schon im Entstehen in ihren Tagesnachrichten und Politikshows einem öffentlichen Diskurs zuzuführen. Der zunehmende Ausbau von Kameras im öffentlichen Nahverkehr, an öffentlichen Plätzen, in Stadien, Stadtzentren usw. war nie Gegenstand einer politischen Debatte, von ernsthaften bohrenden Fragen, der Konfrontation von Politikern mit Juristen und Soziologen in der gleichen Sendung, der Frage, ob das die Antwort auf Gefahren im offentlichen Raum sein darf oder kann. Und jetzt wird versucht mit dem AI Act die automatisierte biometrische Identifizierbarkeit von 550 Mio EU Bürgern zu legitimieren… Das ist eine beschämende Vernachlässigung des öffentlichen Auftrags und völlige Blindheit für die Bedeutung dieser Epoche in der die Grundfreiheiten der digitalisierten Gesellschaften ausgefochten werden, die mindestens im kommenden Jahrhundert existieren oder eben nicht. Im Kern geht es da um Macht, Politik, Recht, und Gesellschaft, dem Zusammen- und Gegenwirken von Exekutive, Legislative und Judikative. Das kann man doch nicht derart im Diskurs ignorieren oder unter „Digitales“ abheften, wenn dann doch mal berichtet wird. Leider passiert beides zu oft und das ist nicht nur bedauerlich. Es ist gefährdend für uns alle.

    1. kritikr: Was will man vom ÖR denn erwarten? Er hofiert Politiker, und Politiker hofieren ihn, um ihr Image aufzubauen oder zu verbessern. Das hat hier irgendwo ein anderer Kommentator sehr anschaulich beschrieben.
      Deshalb ziert der ÖR sich, brisante Themen, die echten Diskurs erfordern, so aufzubereiten bzw. anzubieten, dass dieser Diskurs möglich wird.
      Guter Journalismus muss aus der Sicht echter Demokraten Nester beschmutzen (dürfen), um Missstände aufzudecken. Genau das tut der ÖR kaum noch. Stattdessen wird lieber in das völlig überflüssige DAB+ und in überdimensionierte Gehälter und Strukturen investiert.
      Von Netzpolitik.org kann sich der ÖR in weiten Teilen eine sehr dicke Scheibe abschneiden. Dementsprechend müsstet Ihr von den Gebühren eine ebenso dicke Scheibe abbekommen!

    2. > Der zunehmende Ausbau von Kameras im öffentlichen Nahverkehr, an öffentlichen Plätzen, in Stadien, Stadtzentren usw. war nie Gegenstand einer politischen Debatte, von ernsthaften bohrenden Fragen, …

      … weil den BürgerInnen durch ein Übermaß an Blaulicht-Journalismus und „Sicherheitspolitik“ gehörig Angst eingejagt wurde. Mit Angst regiert es sich prima, weil Emotionen das Hirn lahm legen. Es sterben bekanntlich mehr Menschen an Insektenstichen als bei Terroranschlägen.

      Was die Videoüberwachung anbelangt habe ich persönliche Konsequenzen gezogen. Wo überwacht wird geh ich nicht mehr hin. Meinem Lieblingsbäcker habe ich das erklärt, warum ich nicht mehr kommen werde. Hat ihn nicht sonderlich beeindruckt, was mir wiederum gleichgültig ist. Weniger Konsum hat mir jedenfalls nicht geschadet, ganz im Gegenteil.

  10. Nach dem heutigen Tag weiß ich bei dem Thema auch nicht mehr, was man vom EU-Parlament erwarten will oder ob man überhaupt noch was von ihm erwarten kann.

    Im Oktober letzten Jahres stimmen sie gegen Chatkontrolle, Zerstörung von Verschlüsselung, AppStore-Zensur usw. Es schien, als gäbe es in der EU doch noch einige wenige Politiker, die die Bürger schützen wollen.
    https://www.patrick-breyer.de/historische-einigung-europaeisches-parlament-will-chatkontrolle-stoppen-und-sichere-verschluesselung-garantieren/

    Jetzt, ca 4 Monate später, gibt das gleiche EU-Parlament grünes Licht für die Verlängerung der freiwilligen Chatkontrolle durch Meta, Google und Co und verschafft den Befürwortern der verpflichtenden Chatkontrolle – allen voran Johansson & Co – jetzt alle Zeit der Welt, weiterhin Lügen zu verbreiten und Leute zur Zustimmung zu manipulieren
    https://www.patrick-breyer.de/cdu-und-spd-verlaengern-freiwillige-chatkontrolle-durch-big-tech-konzerne/

    Sorry aber… was in aller Welt geht in den Köpfen dieser Leute nur vor?

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